Anet Corti "echt" - Yukkapalme 2020
Bewegliche Theaterprops, fahrende Pflanze
Anet Corti wollte für ihr neues Stück «echt?» drei bewegliche Dinge – eins war eine Zimmerpflanze, welche aussehen sollte, wie so ein verlorenes Wesen, das oft in Mehrzweckräumen herumsteht. Traurig auch im günstigsten Fall..
Die sollte in der Art von Alexa & Co. schwatzen, besserwissen, tratschen und indiskret sein. Das betraf mich nicht, es wurde über die PA-Anlage realisiert.
Aber sie musste auch herumfahren können und sollte auch möglichst Bewegungen machen können.
Der Topf war natürlich der Ort, wo die Mechanik reingepackt werden musste. Wenn der aber zu gross ausfiel, wäre der Effekt gemindert. Also musste ich enorm dicht packen, der Platz war kostbar.
Da diese Pflanzen gemeinhin oft auf Räderbrettchen herumstehen – damit sie aus dem Weg gefahren werden können oder in die Sonne gerückt, nehme ich an – verwendete ich ein solches als Unterlage. Darauf schraubte ich die Schritt für Schritt entstandene Stahlkonstruktion.
Den Topf schnitt ich unten auf, so dass er über Gestell und Mechanik gestülpt werden kann.
Vier Motoren waren nötig: Drei Schneckenradgetriebemotoren für Antrieb
und den Schlangentanz des Yukkastamms, der vierte war ein kleiner Getriebemotor, welcher ein Excentergewicht dreht, somit ein leichtes Zittern ermöglicht.
Es war leider kein Platz für einen grösseren Vibratormotor mehr vorhanden, also musste er in den einen Stamm der Pflanze gesetzt werden.
Zwei solche Motoren – das habe ich schon bei anderer Gelegenheit merken müssen – können sich gegenseitig in der Bewegung wieder aufheben, worauf dann nichts mehr zittert. Also musste ein einziger ausreichen, ein zweiter nützt nichts.
Es kamen noch vier Fahrtenregler und ein Fernsteuerungsempfänger hinzu, nebst einer Sound-empfindlichen LED-Steuerung, welche Lämpchen in einer Metallblume leuchten lassen, sobald ein Geräusch vom Mikrophon empfangen wird.
Das soll auf einfachste Weise der Pflanze ein elektronisches Leben einhauchen.
Beim Toaster habe ich dasselbe eingebaut – auch dessen Lämpchen reagieren auf Töne.
Um die Yukka-Stämme kamen Staubsaugerschläuche - in denjenigen, der tanzen kann, zudem ein gebogenes Stahlrohr, wo vor dem Biegen ein genau gedrehtes Endstück hinkam, das jetzt im Endkugellager steckt, welches die Blätterkrone trägt.
Am unteren Ende ist noch ein Kugellager, so dass der tanzende Stamm reibungslos geführt ist.
Die Staubsaugerschläuche habe ich mit in Latexmilch getränkten Stoffbahnen umhüllt, welche ich Zick-zackmässig zuschnitt. Jeweils nach etwa einer Stunde konnte ich die nächste Schicht aufbringen.
Ganz zum Schluss spritzte ich die Stämme in der Art, dass sie möglichst echt aussahen (und mir gefielen).
Es war aber nicht oberstes Ziel, die Pflanze wirklich lebensecht hinzubekommen: Es stehen in diesen Räumen ja durchaus künstliche Pflanzen herum, ohne dass das auffällt..
Beim ersten Fahrversuch stellte ich fest, dass die Pflanze etwas gar langsam unterwegs war. Also drehte ich zwei etwas grössere Räder zurecht und schraubte sie auf die Aluminiumnaben. (Mit noch grösseren Rädern wäre eine höhere Geschwindigkeit möglich – jedoch der Platz im Topf erlaubte das nicht.)
Die Antriebsräder mussten mit gefederten Parallelogrammen montiert werden – sonst könnte die Pflanze nicht einmal über eine Teppichkante hinwegkommen. Auch das Erfahrungen von früheren fahrenden Gegenständen. (Siehe den Roboter Takashi, welchen ich 2017 auch für Anet Corti gebaut habe.)
Die Première des Stücks war sinnigerweise am 28. Oktober 2020 – ab dem 29. waren dann bloss noch 50 Leute im Publikum erlaubt.. Aber an der Première haben sich die Leute über das Stück gefreut!
2020