Bockler Bar 1996
Medizinalbar, Bockler's, Heiltrinken und Kneippkuren
1996 fragte mich Nikolaus Wyss, ob ich ihm eine illegale Bar einrichten möchte. Er hatte in Oerlikon zusammen mit Milena Moser ein Bürolokal, wo er wegziehen wollte, um nach Luzern als Rektor an die Kunstschule zu gehen.
Vorher wollte er noch seine illegale Bar.
Früher hatte er mal ein Magazin herausgegeben, das Dr. Bockler's Magazin hiess - deshalb sollte die Bar danach heissen. Mir gefiel der Gedanke gleich, eine Medizinalbar einzurichten.
Im Brockenhaus kauften wir sehr gegen den Willen des uralten Hiob-Priesters, der dort die Bücherabteilung leitete, medizinische Literatur.
Nikolaus hatte ihm von der geplanten Bar erzählt - er wollte partout nicht, dass wir Schindluder mit der Medizin trieben!
Ein anderer Angestellter des Brockenhauses verkaufte uns die Bücher dann hinter seinem Rücken günstig..
Darin fanden sich herrliche medizinische Illustrationen, die ich bei einer Freundin einscannte und dann ausdrucken liess - wenn ich sie nicht einfach abmalte.
Nikolaus, muss ich gestehen, hatte die beste Idee überhaupt: Er fürchtete, dass er Schwierigkeiten bekommen könnte, weil die Bar ja illegal war.
Darum wollte er, dass ich den grossen Yukkabaum, den er hatte, innen an die Glastür auf ein Podest stellte, das an die Tür angeschraubt war und auf Rädern stand.
Von aussen sah es aus, wie wenn die Tür nicht in Gebrauch wäre, weil da ja der Baum dahinter stand. Drückte man sie aber auf - fuhr der Baum mit der Türe mit. Neuen BesucherInnen musste man das immer durch Gebärden erklären..
Als mir schien, dass er meine Gestaltung nicht so ganz von Herzen lieben wollte, sagte er mir: "Weisst Du, wenn die Leute das toll finden - sage ich, dass jedes Detail meine Idee war. Wenn sie's missbilligen, werde ich mich in aller Form von Dir distanzieren!"
Zum Glück mochten die Leute die Ausstattung.
Im Weiteren kochte Nikolaus an gewissen Tagen Suppen, organisierte verschiedene Gruppenzusammenkünfte (z.B. die Hobbypsychologen und als Highlight: Die Freunde der Zahl Pi. Letztere trugen sich gegenseitig gewisse pikante Stellen hinter dem Komma vor - etwa von der tausenddreiunddreissigsten bis zu tausendeinhundertzwanzigsten Steller. Wenn lustige Zahlenkombinationen kamen, freuten sie sich).
Schwieriger war, dass er strikt um halb elf Uhr abends hochging, um zu schlafen, also die Bar schloss. Hin und wieder führten Freunde dann die Bar noch weiter, so dass noch zuwenig alkoholisierte Besucher bleiben konnten.
Jemand machte noch Wahrsagerei an gewissen Tagen - es gab so manches..
Ich hatte aus einem alten Gaszähler ein Herz gebaut, das schlug, solange das Licht an war und in der Kondomeria hatte ich viele lustige Kondome gekauft, die als Formaldehyd-Präparate in einen Glaskasten standen.
Ein Freund eines befreundeten Arztes war bereit, ein Röntgenbild von einem Poulet zu machen, das ich ihm gebracht hatte. (Es hatte einen gebrochenen Flügel, stellte sich heraus.)
Im Schaufenster hing als Wahrzeichen eine riesige beleuchtete Spritze. Ende Januar, glaub, war die Bar dann wieder weg.
Die Bartheke brachte ich Nikolaus 2005 dann in die Kunstschule nach Luzern, ins Lehrerzimmer..
Nikolaus Wyss
1996